Bis Ende 2007 sah das VVG (Versicherungsvertragsgesetz) eine Belehrung über Ihr Widerspruchsrecht vor. Die Belehrung wurde in den meisten Fällen erst zusammen mit dem Versicherungsschein zugeschickt (sog. „Policenmodell“, siehe im mittlerweile aufgehobenen § 5a VVG in seiner alten Fassung). Erfüllte die Belehrung die gesetzlichen Vorgaben, so war Ihr Widerspruchsrecht zeitlich befristet. Außerdem regelte die Vorschrift des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F., dass Ihr Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese „Sowieso-Frist“ mag ein Grund dafür gewesen sein, dass viele am deutschen Markt tätige Versicherungsgesellschaften seinerzeit unzureichende Rechtsbelehrungen erteilten.
Sodann urteilte der Europäische Gerichtshof am 19. Dezember 2013 (C-209/ 12), dass die Erlöschensfrist des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. bestimmten Richtlinien zuwiderläuft, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist. Der Bundesgerichtshof schloss sich diesen Erwägungen an (Urteile vom 29. Juli 2015, IV ZR 448/14, IV ZR 384/14) und führte aus, dass die Jahresfrist für das Erlöschen des Widerspruchsrechts nur noch im Bereich der Ver-sicherungen anderer Art, namentlich der Sachscha-denversicherungen anwendbar ist. Daraufhin erhobe-ne Verfassungsbeschwerden nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an (Beschlüsse vom 23. Mai 2016, 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15).
Im Ergebnis bedeutet dies, dass Sie Ihre kapitalbilden-de oder fondsgebundene Lebens- oder Rentenversicherung, die Sie zwischen Juli 1994 und Ende 2007 abgeschlossen haben, auch heute noch (sogar nachträglich) rückabwickeln können, wenn Sie seinerzeit nicht ordnungsgemäß über Ihr Widerspruchsrecht belehrt wurden oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten haben. In diesem Zusammenhang hat sich der Begriff des „ewigen Widerspruchsrechts“ etabliert.